Ich wollte noch ein wenig von den Ereignissen rund um unsere Hochzeit im vergangenen Mai erzählen. Wir hatten ja eigentlich eine größere Feier mit etwa 80 Gästen geplant, wollten am 15.05.2020, einem Freitag, standesamtlich heiraten und am Tag darauf eine freie Trauzeremonie vor unseren geladenen Gästen durchführen und dann im Anschluss gemeinsam mit allen Anwesenden feiern. Nun war zwischenzeitlich allerdings die Corona-Pandemie aufgezogen, Deutschland in Totalquarantäne gegangen, und spätestens Ende März war uns relativ klar, dass sich unsere Pläne nicht in die Tat umsetzen lassen würden. Im Februar, als das Thema hier in Deutschland so langsam präsenter wurde, hatte ich noch nicht glauben wollen, dass es mal so auskommen würde. Ein Freund hatte mich gefragt, was wir denn bezüglich unserer Hochzeit nun planen würden, und zu diesem Zeitpunkt hielt ich das noch für eine recht absurde Nachfrage, als ob wir im Mai nicht wie geplant würden heiraten können, weil sich gerade eine Erkältungswelle mit einem neuen Virusstamm ausbreitete. Als dann nach und nach aber doch klarer wurde, dass die geplanten Festivitäten nicht möglich sein würden, waren Catharina und ich am Boden zerstört. Immerhin waren wir etwa anderthalb Jahre verlobt und hatten – ohne jetzt einen besonders ausgefallenen Anspruch an Exklusivität und Perfektion zu haben – wirklich alles in Ruhe und sehr weit im Voraus geplant, so dass das Trugbild unseres vermeintlichen Hochzeitstages lange Zeit gehabt hatte, vor unserem geistigen Auge Gestalt anzunehmen. Und all das wurde nun mit einem Mal weggefegt. Wir waren innerlich zerrissen, wollten auf der einen Seite den Termin nicht verschieben und alles noch einmal von vorne planen, konnten uns auf der anderen Seite aber auch nicht vorstellen, alles Geplante ersatzlos ausfallen zu lassen. In den letzten Wochen vor der geplanten Hochzeit gab es auch einfach keine Planungssicherheit (ein Zustand, an den man sich ja mittlerweile fast schon gewöhnt hat). Niemand wusste, wie lange und in welcher Form der „Lockdown“ weitergehen würde, ob man wieder ins Restaurant würde gehen können, ob vielleicht just zum Zeitpunkt unserer Hochzeit alles wieder wie geplant möglich sein würde, ob dann wiederum aber auch unsere Gäste in der geplanten Zahl Lust haben würden, unbeschwert miteinander zu feiern. Das Hotel, in dem wir die Feier am Samstag geplant und in dem wir für unsere Gäste auch ein Zimmerkontingent vorreserviert hatten, war bei alledem auch keine sonderlich große Hilfe. Sie versteiften sich darauf, dass wir den Termin nur verschieben könnten oder andernfalls eine hohe Stornierungsgebühr zahlen müssten, was schon ziemlich dreist war in Anbetracht der Tatsache, dass rein rechtlich eine Durchführung der Feier zum damaligen Zeitpunkt ja gar nicht möglich war. Die wollten das einfach bis zum letztmöglichen Zeitpunkt aussitzen, um sich zumindest die Option zu erhalten, noch ein paar Einnahmen aus der ganzen Geschichte zu generieren. Wir selbst wollten allerdings nicht bis zum allerletzten Tag auf die Entscheidung warten, ob unsere Feier nun möglich sein würde oder nicht. Immerhin sollten die allermeisten Gäste doch von weiter her in das Bremer Umland anreisen und auch denen gegenüber empfanden wir es als unangemessen, erst drei Tage vor dem geplanten Termin schließlich alles abzusagen. Also rangen wir uns schweren Herzens Mitte April, rund 4 Wochen vor dem geplanten Termin, dazu durch, die geplanten Feierlichkeiten abzusagen und unsere Gäste wieder auszuladen. Mit dem Hotel, das weiterhin auf die Option „Termin verschieben“ bestand, sprachen wir diesbezüglich nicht mehr weiter, sondern pokerten darauf, dass am 16.05. die vertraglich vereinbarte Feier schlichtweg nicht möglich und der geschlossene Vertrag somit wegen „Nichtdurchführbarkeit“ nichtig sein würde. Zwei Tage vor dem geplanten Termin der Feier rief das Hotel dann tatsächlich nochmal bei uns an und gab zerknirscht klein bei, weil auch sie nun einsehen mussten, dass sie nicht mit und für uns die Feier durchführen konnten, die wir geplant hatten.

Wir selbst waren im Anschluss emotional zerstört. An dem Tag im April, als wir all unseren Gästen abgesagt hatten, lasen wir uns gegenseitig unsere Liebesschwüre (von uns liebevoll auch immer als „Liebesgeschwüre“ tituliert) vor, die wir eigentlich für unsere freie Trauung vorbereitet hatten, und heulten wie die Schlosshunde. In der Zeit darauf schwankten wir immer wieder zwischen völliger Verweigerungshaltung und dem Wunsch, noch eine halbwegs würdige Hochzeit durchzuziehen. An dem Termin für die standesamtliche Hochzeit am 15.05. hielten wir fest und verfolgten bange die sich täglich ändernden Angaben dazu, ob und wieviele Gäste man in das Standesamt würde mitnehmen können. Zwischenzeitlich sagten wir, dass wir es einfach für uns zu zweit durchziehen wollten und dann auch keine Gäste aus unseren Familien dabei haben wollten, die uns mit ihrer freudestrahlenden Anwesenheit dann erstrecht vor Augen führen würden, was wir gerade alles verpasst hatten. Wir sagten DJ, Hochzeitstorte, Traurednerin und Blumenschmuck ab und suhlten uns in unserem Elend.

Wer uns emotional dann tatsächlich extrem aufgefangen und im Endeffekt unseren Hochzeitstag weitgehend gerettet hat, war unser Hochzeitsfotograf, den wir über Bekannte empfohlen bekommen hatten. Mit ihm hatten wir uns bereits früher getroffen und auch Fotos für unsere Einladungskarten zur Hochzeit geschossen. Ihn hatten wir eigentlich für den Tag unserer großen Feier am 16.05. gebucht, während wir für den Standesamttermin am 15.05. auf das Fototalent unserer Gäste in der kleineren, familiären Runde hofften. Mit unserem Fotografen telefonierten wir dann etwa zwei Wochen vor dem geplanten Termin und waren da wirklich auf dem emotionalen Tiefpunkt angekommen, so von wegen „Wozu brauchen wir Fotos von so einer traurigen Veranstaltung?“. Aber er konnte uns dann davon überzeugen, die Situation so anzunehmen, wie sie uns nun einmal serviert wurde, und trotzdem das allerbeste daraus zu machen. Er, der eigentlich nicht hauptberuflich Fotograf ist, sondern das nur als Leidenschaft neben seiner eigentlichen Arbeit betreibt, wurde gerade in seinem Erstberuf in Kurzarbeit geschickt, so dass es sich ergab, dass er auch an unserem Standesamt-Freitag den ganzen Tag für uns Zeit haben würde. Er überzeugte uns davon, alles genauso romantisch und kitschig und emotional durchzuziehen, wie wir es eigentlich geplant hatten, mit einem „Braut und Bräutigam sehen sich das erste Mal in Hochzeitsgarderobe“-Fotoshooting und mit einer ganz intimen Feier im engsten Familienkreis in unserem eigenen Wohnzimmer, mit einem Hochzeitstanz nicht im Ballsaal, sondern auf unserer eigenen Terrasse, mit einer Hochzeitstorte, die eben 2 bis 3 Nummern kleiner ausfallen würde, als ursprünglich geplant, mit Essen vom Caterer statt vom Hotelkoch, mit Fotoshooting im Bürgerpark nach dem Standesamt und allem Zipp und Zapp.

Und mit einem Mal loderte sie wieder in uns, die Hochzeitsflamme, die anderthalb Jahre lang schon in uns gebrannt hatte, bevor sie so unerwartet und abrupt erloschen war. Und dann gab es plötzlich doch noch eine ganze Menge zu tun. Wir bestellten unsere sensationelle Hochzeitstorte, die für uns eines der absoluten Highlights der ganzen Veranstaltung darstellte, wieder, aber diesmal in einer kleineren Ausführung. Wir übten unsere Tanzschritte wieder ein. Wir bestellten ein kleines Menü für 10 Personen beim Caterer. Der Hochzeitsstrauß wurde wieder in einer kleinen Version geordert. Wir liehen uns von unseren Nachbarn eine Bierzeltgarnitur fürs Wohnzimmer. Und unsere Hochzeitsrednerin, die mit uns eigentlich die freie Trauung hätte durchführen sollen, erklärte sich bereit, ihre Zeremonie und ihre Worte an uns auf Video aufzunehmen und uns zum Hochzeitstag zukommen zu lassen, damit wir das Video mit unseren Gästen zusammen würden angucken können.

Schlussendlich durften wir am „Stichtag“ nur 3 Gäste mit ins Standesamt zur Trauung nehmen. Wir verzichteten auf unsere Trauzeugen in ihrer Rolle als Trauzeugen. In Catharinas Fall wäre zwar ihre Schwester die Trauzeugin gewesen, die bei der Hochzeit sowieso dabei war, aber ich hatte meinen guten Freund Joscha aus Studientagen zum Trauzeugen auserwählt, und da wir uns bei unserer „Corona-Hochzeit“ nun auf unsere Kernfamilien als Gäste beschränkten, konnte er nicht dabei sein, so dass wir dann eben insgesamt auf Trauzeugen verzichteten. Da 3 Leute eine ziemlich ungünstige Zahl ist, um sie mit ins Standesamt zu nehmen, entschieden wir uns dafür, jeweils unsere eine Schwester plus den Fotografen mitzunehmen, damit unsere anderen Gäste (und später auch unsere Freunde und weiter gefasste Verwandtschaft) wenigstens Bilder von der Zeremonie sehen könnten.

Von der Hochzeit selbst will ich dann beim nächsten Mal berichten. Aber vorab will ich schon einen Blick auf unsere sensationelle Hochzeitstorte gewähren, die uns und unseren Gästen (naja, zumindest den meisten…) unglaublich viel Freude bereitete. Schon eine ganze Weile im Voraus hatten wir uns Gedanken über eine besondere Hochzeitstorte gemacht, die einen persönlichen Bezug zu uns hat. Für mich als Pathologen und für Catharina als Mitarbeiterin in einer Blutbank und als Vampir-Fan lag es durchaus nah, eine Hochzeitstorte mit einem blutenden Herzen anschneiden zu wollen, und tatsächlich fanden wir eine großartige Konditorin, die sich voller Begeisterung und Experimentierfreude in das Projekt stürzte. Letztlich ja ein klassisches Hochzeitsmotiv, so eine Herz-Torte… Daneben hatte unsere Torte aber auch noch aus Zucker modellierte „Objektträger“, wie ich sie mir tagtäglich unterm Mikroskop anschaue, und zwei „Fußzettel“ mit unseren Namen drauf, wie sie in der Leichenhalle den Verstorbenen zur Identifikation an die Großzehen gehängt werden. Der Effekt, als sich die Himbeersoße beim Tortenanschnitt aus dem Herzinneren ergoss – unbezahlbar!

Ich als unheimlicher Pathologe nach getaner Arbeit!
So filigran gefertigt!

CU in Disneyland!

8 Gedanken zu “Vor der Hochzeit!

  1. Ich hätte es beim Lesen vor Spannung nicht ausgehalten, wenn Du uns nicht zuletzt Euer zauberhaftes Hochzeitsfoto präsentiert hättest. Danke, daß Du dabei geblieben bist!
    Bereits beim letzten Beitrag vor Deiner langen WP-Blog-Abstinenz konnte ich nachträglich Deine desillusionierte Traurigkeit über das was kommen würde, spüren, aber dieser Beitrag ist ja nochmal eine Nummer emotionsgeladener ausgefallen. Wow – Du bist schriftstellerisch so talentiert! 🙂
    Ähm – bestimmt total lecker, diese fachbezogene Hochzeitstorte, vor allem die Himbeer-Soße! 😘

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  2. Die Torte ist wirklich toll modelliert, aber auch sehr gruselig… 😮

    Schön, dass ihr trotzdem noch gefeiert habt, wenn auch im kleineren Rahmen. 🙂

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  3. „…Fotoshooting im Bürgerpark…“ Wahrscheinlich in dem Pavillion bei der Meierei +lach+. Genau darüber habe ich nämlich ein YouTube-Video gedreht, in dem ich sage: „Jeden Freitag wird an dieser Stelle eine weitere Folge von ‚Die Braut, die sich nicht traut‘ gedreht. Jedes Mal mit anderen Darstellern“.

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