In den Augen meiner Schwester spiegelt sich die Traurigkeit des Universums!

Heute möchte ich mich mal an dem bereits angekündigten Eintrag über das Liebesleben meiner Schwester versuchen. Voran stellen will ich die Aussage, dass ich meine Schwester wirklich mag und mir im Grunde einfach nur wünsche, dass sie glücklich und zufrieden ist, denn vielleicht kann diese positive Grundhaltung bei aller implizit oder explizit geäußerten Kritik sonst zwischenzeitlich mal aus den Augen geraten.

In der Tat ist es so gewesen, dass meine Schwester bis vor ein paar Jahren verheiratet gewesen ist (ich war ja damals, im Jahr 2011, ihr Trauzeuge, hatte darüber auch im Mytagebuch berichtet) und alles soweit eingerichtet schien: Sie lebte mit ihrem Mann in einem schönen Haus, verdiente gutes Geld, man sprach über Kinderplanung und so schien alles auf den ersten Blick seinen gewöhnlichen Gang zu gehen. Allerdings ist die Ehe nach etwa 3 Jahren in die Brüche gegangen, im Wesentlichen aufgrund unüberbrückbarer kultureller Differenzen. Ihr Ehemann kam ja aus einem weit entfernten Land und einem gänzlich anderen Kulturkreis, sie hatte ihn während eines Urlaubs kennengelernt, und nach einiger Zeit einer reiseintensiven Fernbeziehung deluxe war er schließlich nach Deutschland gekommen und sie waren zusammen gezogen. Er war hier auch durchaus engagiert, hat intensive Sprachkurse belegt und zunächst recht schnell und gut die deutsche Sprache gelernt (meine Schwester allerdings währenddessen auch noch viel schneller und besser die seine). Gearbeitet hat er hier jedoch nie, wozu zunächst auch gar kein unbedingter ökonomischer Zwang bestand, weil meine Schwester überdurchschnittlich viel Geld verdient und also problemlos auch eine ganze Familie komfortabel alleine ernähren könnte. Dem Vernehmen nach hat er sich auch nicht so wirklich intensiv hier um Arbeit bemüht, zu andersartig und unwirtlich waren dann doch die Gegebenheiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt gegenüber der idyllischen Heimat. Er ist im Sommer jeden Jahres dann auch immer noch in seine alte Heimat zur Saisonarbeit zurückgeflogen und das waren jedes Mal mehrmonatige bis fast halbjährliche Aufenthalte. Das ging auch noch so weiter, als die Beiden schließlich verheiratet waren. Er hat da einfach extremes Heimweh gehabt, zudem war er in seiner Heimat allseits bekannt, beliebt und geschätzt und wurde dort im gleichen Maße vermisst, wie er selbst die Heimat vermisste. In Deutschland hingegen hatte er bis auf meine Schwester und ein paar sporadische Kontakte zu ihrer Familie im Grunde niemanden. Meine Schwester war mit dieser Situation auf die Dauer – verständlicherweise – natürlich unzufrieden und sagte, dass sie nicht einen Ehemann haben wolle, der das halbe Jahr nicht anwesend sei. Sie ist in einem Jahr auch selbst mal zwei oder drei Monate während dieses Sommeraufenthaltes mitgekommen in die Heimat ihres Mannes, nur war das für sie auf die Dauer dann vergleichbar langweilig und unbefriedigend wie für ihren Mann hier in Deutschland, wenn sie daheim saß und ins umgebende Ödland schaute, während ihr Mann tagsüber arbeiten war. Es wäre letztlich auch keine Option gewesen, dass sie ihren Job hier in Deutschland aufgegeben hätte und sie gemeinsam dauerhaft in seine Heimat gezogen wären. Zum Einen wäre das ökonomisch betrachtet Irrsinn gewesen, zum Anderen hätte es ihre Arbeit vergleichbar in seinem Land gar nicht gegeben. Letztlich war diese Diskrepanz zwischen den Beiden einfach unauflösbar und sie haben sich dann im Guten getrennt und scheiden lassen und er ist wieder zurück in seine Heimat gegangen. Die Beiden telefonieren und schreiben noch regelmäßig miteinander und fahren auch immer mal wieder gemeinsam zusammen in den Urlaub. Meine Schwester sagt auch immer, sie hätte Angst gehabt, dass er hier so unglücklich und depressiv geworden wäre, dass sie ihn eines Tages unter der Decke baumelnd vorgefunden hätte und dass sie diesen Gedanken nicht hätte ertragen können.

Nun hätte man das Konfliktpotential einer solchen Konstellation in einer Ehe durchaus vorhersehen können oder aber hätte sich zumindest vorher einmal intensiver gedanklich damit auseinandersetzen sollen. Aber das möchte ich ihr gar nicht zum Vorwurf machen, schließlich lässt einen die rosarote Brille so manches Problem verdrängen und ausblenden, und hinterher kann man immer schlau daherreden. Ich hätte als engagierter Trauzeuge ja auch durchaus im Vorfeld intervenieren können und vielleicht auch sollen – aber ganz im Ernst, wer macht das schon? Ich bin einfach davon ausgegangen, dass die Beiden sich das gut überlegt haben, schließlich waren sie eine Zeit lang ja auch echt glücklich miteinander und beieinander. Und vermutlich hätte ich es mir bis in alle Ewigkeit mit meiner Schwester verscherzt, wenn ich damals angefangen hätte, ihr die Hochzeitspläne madig zu machen und mahnend daherzureden.

Nach der gescheiterten Ehe und dem plötzlich über den Haufen geworfenen bisherigen Lebensentwurf ist meine Schwester dann erstmal in ein ziemliches Loch gefallen, hat sich darüber hinaus auch zwischenzeitlich ordentlich mit unseren Eltern verkracht, die ihr ihrer Ansicht nach vorgehalten hätten, nicht genug um die Ehe gekämpft zu haben und ihren Ehemann im Endeffekt vergrault zu haben (ob das in dieser drastischen Form stimmt, wage ich ein wenig zu bezweifeln, meine Schwester war zu dem damaligen Zeitpunkt auch emotional sehr angegangen und extrem dünnhäutig, was Kritik anging, vielleicht hat sie das auch etwas überzogen wahrgenommen; auf der anderen Seite ist insbesondere unsere Mutter, was Kritik angeht, bisweilen nicht sonderlich einfühlsam, in sofern kann es schon sein, dass da ein paar unschöne Aussagen gefallen sind).

Erschwerend kam nämlich noch hinzu, dass meine Schwester in der Endphase ihrer Ehe, als ihr Mann noch mit ihr zusammen in einem Haus wohnte, aber das Ende praktisch schon besiegelt war und sein baldiger Abschied in Aussicht stand, genervt von der ganzen Situation und, wie sie sagt, auch gelangweilt von ihrem Ehemann, der die ganze Situation wortkarg und lethargisch ertrug, parallel schon eine Affäre mit einem neuen Mann begann. Dieser war wiederum zu diesem Zeitpunkt auch noch verheiratet und wohnte zwar immerhin in Deutschland, aber auch eine ganze Ecke weg, so dass schon wieder die Pendelei losging. Diese neue Liebschaft hat sie ihrem Noch-Ehemann gegenüber auch gar nicht verheimlicht, aufgrund des zeitlichen und logistischen Aufwands das auch gar nicht tun können, und das haben meine Eltern dann wohl auch als besondere und unnötige emotionale Grausamkeit seitens meiner Schwester empfunden und das auch kommuniziert.

Auch ihr Ehemann war ja schon deutlich älter gewesen als sie selbst, ich glaube, der Altersunterschied betrug so etwa 15 Jahre, aber der neue Lover schoss bezüglich seines Alters demgegenüber den Vogel dann noch mal richtig ab und lag dann mehr so im Bereich ihres eigenen Vaters. Nach viel Heimlichtuerei und Hoteltreffen und Betrügerei hat sich der Typ dann auch irgendwann tatsächlich mal von seiner Ehefrau getrennt und ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, allerdings hatte sich die Affäre oder Beziehung zwischen meiner Schwester und ihm dann kurze Zeit später auch schon wieder erledigt, da meine Schwester alsbald feststellte, dass er im Grunde ein ziemlich armer und vor allem armseliger Wicht und emotional weitgehend verkrüppelt war.

Nach einer gescheiterten Ehe und einer gescheiterten Liebschaft hatte meine Schwester dann wohl zwischenzeitlich das Gefühl, etwas mit dato Versäumtes nachholen zu müssen und rastete dann vorübergehend mal so richtig aus. So fuhr sie beispielsweise mit einer Freundin mehrmals in den Urlaub, die in ihrer Freizeit und eben auch während dieser Urlaube Basejumping betrieb, einen Extremsport, dem meine Schwester nun gar nicht nachgeht, und vögelte sich währenddessen durchs Basejumper-Lager. Scheinbar sind das, stets das eigene mögliche baldige Ableben vor Augen, sehr lockere und freizügige Runden, zudem floss reichlich Alkohol, und dann führte eben Eines zum Anderen. Ich möchte das auch gar nicht verurteilen, ich hatte ja selbst auch mal so eine vergleichbare wilde Phase, in der mir einfach alles scheißegal war und in der ich jahrelang verpasste Fickerei nachholte. Aber selbst ich musste manchmal schon ein wenig schlucken, was für Stories sie beim „Fetten Pinguin“ (das ist so ein lustiges Partyspiel, das ich besitze, bei dem es darum geht, in vertrauter oder auch (noch) nicht vertrauter Runde intime Details über sich und Andere auszuplaudern, das wir in meinem Freundeskreis und eben auch mit meiner Schwester schon ein paar mal gespielt haben – der Titel des Spiels ergibt sich aus dem Wortspiel „Nichts bricht das Eis so schnell wie ein fetter Pinguin„) da so raushaute.

Währenddessen stand sie aber, wie gesagt, auch immer noch in Kontakt mit ihrem mittlerweile geschiedenen Ex-Ehemann und auch bei ihr daheim war irgendwie noch alles voll von ihm, seien es Hochzeitsbilder, die rumhingen, oder speziell aus seiner Heimat stammende Souvenirs in den Vitrinen oder die gemeinsam gekauften Bilder an den Wänden und so weiter und so fort. Da hatte ich immer den Eindruck, dass sie für eine mögliche ernste neue Beziehung noch gar nicht offen wäre und dass es mögliche Verehrer auch einfach abschrecken würde, wenn sie irgendwann mal zu ihr nach Hause kämen und aus jedem Winkel ihres Hauses noch immer ihr Ex-Ehemann schreien täte.

Nun allmählich zu den aktuelleren Entwicklungen. 2016 war meine Schwester in Kur und lernte dort einen Mann kennen, mit dem sie sich wohl auf Anhieb gut verstand, zunächst aber nur auf einer rein freundschaftlichen Ebene. Sie verbrachten da in der Kur ein paar nette Wochen miteinander und gingen danach wieder ihrer Wege. Der Kerl war zudem auch verheiratet und mit Kindern und kam aus einer anderen Ecke Deutschlands, also im Grunde jetzt auch nicht die erste Wahl für eine neue Beziehung. Nun arbeiten die Beiden im selben Job und so wollte es der Zufall, dass sie sich einige Monate später bei irgendeiner Jahrestagung wieder über den Weg liefen und dort hat es dann wohl schon ordentlich gefunkt zwischen den Beiden. Sie haben sich dann kurze Zeit später auch noch mal privat in der Nähe seiner Heimat getroffen, aber bis dahin wohl immer noch unter der Prämisse „freundschaftlich“. Ich weiß noch, wie wir kurze Zeit später meine Schwester getroffen haben und mit ihr Essen waren und wie sie sich da zwar schwer aufgekratzt, aber zumindest den Worten nach noch sehr reserviert und abgeklärt gegeben hat. Der Typ wäre zwar toll, aber sie wolle nach den vorangegangen Erfahrungen auf keinen Fall noch einmal eine Fernbeziehung eingehen und schon gar nicht wieder als Affäre eines verheirateten Mannes (mit Kindern). Wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon kein gutes Gefühl und natürlich kam es dann innerhalb kürzester Zeit, wie es kommen musste, sie fing eine Affäre mit dem Kerl an und war fortan nervlich und emotional kaum mehr zu gebrauchen. Der Typ hatte ihr dann natürlich nämlich auch erzählt, wie unglücklich er doch in seiner Ehe sei, viel zu früh geheiratet, und überhaupt, Kinder habe er sowieso nie gewollt, da habe ihn seine Frau praktisch zu gedrängt, und jetzt säße er da, mit einer Frau, die er nicht ausstehen kann und die ihn nur ausnimmt, und mit zwei Bälgern, die ihm nichts bedeuten und er habe auch schon so ein Arrangement mit seiner Familie, dass er nur einmal im Jahr mit denen gemeinsam in den Urlaub fahren müsse und seinen restlichen Urlaub alleine (wer’s glaubt…) nach seinem Gusto verbringen könne. Also kurz gesagt, so richtig ätzendes Gelaber eines Typen, der nicht den Arsch in der Hose gehabt hat, sein Leben selbst zu gestalten und jetzt nicht den Arsch in der Hose hat, an seinem ach so unglücklichen Leben was zu ändern.

Ich meine, man muss sich da vermutlich gar keiner Illusion hingeben, das ist vermutlich der totale 08/15-Klischee-Standard-Lauf-der-Dinge. Unzufriedene Ehemänner (und natürlich auch -frauen), die sich eine Affäre suchen, um mal wieder etwas Kick in ihr Liebesleben zu bringen, aber zu feige sind, ihre unglückliche Beziehung bzw. Ehe zu beenden oder aber die Kraft aufbrächten, daran zu arbeiten, diese nochmal glücklich zu gestalten. Das hat mein Vater irgendwann genauso gemacht und irgendwie ist das ja so die totale Standard-Geschichte, die man immer wieder hört, wenn Ehen irgendwann in die Brüche gehen. Ich habe mir persönlich nur immer geschworen, vielleicht auch bedingt durch die Verletzungen, die das Verhalten meines Vaters seinerzeit über die Familie gebracht hat, niemals als ein solches Altherren-Klischee zu enden und habe darin ein ziemliches Feindbild entwickelt.

Die Affäre zwischen meiner Schwester und dem unglücklich Verheirateten lief dann also eine Weile und meine Schwester hat irgendwann auch ein wenig zu drängen begonnen, so nach dem Motto „Wenn du so unglücklich mit allem bist, warum trennst du dich dann nicht von deiner Frau?“, aber natürlich war das für ihn damals noch keine Option. Irgendwann passierte dann das Unvermeidliche und die Ehefrau des Typen bekam Wind von der Affäre. Es wäre vermutlich auch ein Wunder gewesen, wenn nicht, denn so durchgehend und intensiv, wie meine Schwester mit ihm am Handy hing und telefonierte oder Whatsapp-Nachrichten hin und her schickte oder sich in irgendwelchen Hotels traf, muss er ja am anderen Ende der Leitung ähnlich eingebunden gewesen sein und das muss ja dann irgendwann auch mal der desinterssiertesten Ehefrau auffallen. Die Ehefrau stellte ihn dann vor die klassische Wahl „Ich und die Kinder oder sie“ und er entschied sich dann zunächst für Frau und Kinder und teilte das meiner Schwester dann lapidar am Telefon mit à la „Tschussi, war nice, schönes Leben noch!„, woraufhin wir hier eines Abends ein weinendes Häufchen Elend namens meine Schwester auf unserem Sofa sitzen hatten, die wir mühevoll wieder ein wenig aufbauen mussten. Kontakt halten wollte er indes natürlich weiterhin, nach einer kurzen WhatsApp-Pause zur Besänftigung der tobenden Ehefrau wurde dann eine andere Messenger-App runtergeladen, die die Frau nicht auf dem Handy hatte und somit nicht stalken konnte, wann ihr Mann wieder online war und warum bloß…

Wenige Tage später kam dann die Kehrtwende: Der Kerl kam unangemeldet zu meiner Schwester vorbei gefahren, zwei Reisetaschen in der Hand, er habe sich nun doch von seiner Frau getrennt und für seine wahre, große Liebe entschieden, was für ein Idiot er doch gewesen sei, große Aussprache, noch größere Versöhnung, alles wieder gut, Zeit für einen Neuanfang. Dummerweise fiel das aber nun in einen Zeitraum, in dem meine Schwester wenige Wochen später einen zweiwöchigen Island-Roadtrip-Urlaub mit ihrem Ex-Mann geplant hatte, über Monate detailliert und mit großer Vorfreude ausgeklügelt. Das ließ sich nun nicht so einfach wieder absagen, meine Schwester wollte das ja auch gar nicht und dem Vernehmen nach war das auch für ihren neuen „Partner“ in Ordnung, schließlich läuft ja zwischen ihr und ihrem Ex-Mann nichts mehr und das findet auf einer reinen „Wir verstehen uns immer noch gut und verreisen einfach gerne zusammen“-Ebene statt. Natürlich jetzt keine optimale Konstellation zum Beginn einer frischen neuen Beziehung, aber jetzt eben so passiert.

So flog sie dann also kurze Zeit später in den angekündigten Urlaub, das Handy am Anschlag, um ihren neuen „Partner“ auf dem Laufenden zu halten, dem es dann am ersten Tag (!) ihres Urlaubs in der Ferne einfiel, sich ein zweites Mal telefonisch von ihr zu trennen, weil er das jetzt nicht ertragen könne, dass sie zwei Wochen mit ihrem Ex-Mann unterwegs und er doch nun so eifersüchtig sei. Er würde dann jetzt auch wieder bei seiner Ehefrau zu Hause einziehen, denn besser unglücklich mit Haus, Frau und Kindern, als noch unglücklicher und dem emotionalen Wahnsinn nahe aufgrund einer fragilen neuen Beziehung unter ungünstigen Vorzeichen (zu Beginn gleich Urlaub mit dem Ex-Mann). An dieser Stelle mag man sich ja nun auch fragen, was denn eigentlich die Ehefrau des Typen bewogen hat, ihn nochmal wieder zu nehmen, immerhin hat er sich ja auch ihr und den Kindern gegenüber wie der komplette Vollarsch verhalten und an ihrer Stelle hätte ich ihm längst die Koffer vor die Tür gestellt und den Scheidungsanwalt ins Spiel gebracht. In jedem Fall waren die zwei Wochen Urlaub für meine Schwester von Tag 1 an dann also gründlich versaut und ich mag mir gar nicht vorstellen, was für eine Stimmung dort geherrscht bzw. welche emotionalen Belastungen meine Schwester da auch ihrem Ex-Mann aufgebürdet haben mag, der sich womöglich auch Erquicklicheres hatte vorstellen können, als im Urlaub seine Ex-Frau ob ihrer verkorksten neuen Beziehung trösten zu müssen.

Irgendwann kam meine Schwester dann also aus dem Urlaub wieder und wir trafen uns zur Nachbesprechung nebst digitaler Dia-Show und da hing sie doch tatsächlich weiterhin unentwegt schelmisch grinsend an ihrem Handy und war im Grunde zu nichts zu gebrauchen. „Sag mal“ – zögerliches Nachfragen – „mit wem schreibst du denn da die ganze Zeit?“ Gut, die Antwort könnt ihr auch an dieser Stelle sicherlich schon denken, weiterhin schrieb sie mit diesem Typen, von dem sie scheinbar auch nach zwei mies durchgezogenen Trennungen noch immer nicht genug hatte. Er sei ja eigentlich auch ein total dufter Kerl, nur emotional etwas unreif, erklärte sie uns dann, und ständig schriebe er ihr, dass er nur sie liebe und dass er es so bereue, zu seiner Frau und den unsäglichen Kindern zurückgegangen zu sein und dass jetzt für ihn alles sinnlos sei. Ob sie sich von ihm nicht verarscht fühle, fragten wir daraufhin vorsichtig nach, immerhin habe er sie doch ziemlich schäbig behandelt und vermutlich wolle er doch einfach nur die für ihn bequeme Schiene „Zuhause habe ich Frau und Kinder zum Repräsentieren und nebenher für die emotional anregenderen Momente meine Affäre“ weiterfahren.

Es dauerte dann tatsächlich auch gar nicht mehr lange und er trennte sich ein weiteres Mal von seiner Frau, zog diesmal auch aus dem gemeinsamen Haus aus und fürs Erste wieder bei seinen Eltern ein, und kam dann ein drittes Mal innerhalb weniger Monate mit meiner Schwester zusammen. Diesmal hielt das Ganze auch erstaunlich lange, also mehrere Wochen am Stück, und es wurden schon erste zarte gemeinsame Zukunftspläne geschmiedet. Zunächst wollte er sich erstmal eine neue Bleibe suchen, was sich dann aber immer wieder als erstaunlich schwierig herausstellte und meine Schwester bereits allmählich ungeduldig werden ließ, schließlich hatten ihre eigenen Wohnungssuchen nie so lange gedauert. Aber gut, immerhin brauchte er ja jetzt auch eine Bleibe, die sowohl als Liebesnest fungieren könnte als auch als mögliche Übernachtungsmöglichkeit für die Kinder (die verdammten, ungeliebten Blagen hatte er ja auch immer noch am Hals), und so etwas zu finden sei sicherlich nicht so ganz einfach.

Ende November wurden wir dann zur gemeinsamen Silvesterparty bei meiner Schwester eingeladen, quasi Pärchenabend mit meiner Schwester und ihrem Freund und mit meiner Freundin und mir. Puhhh, da mussten wir erstmal durchschnauben, denn zum Einen musste meine Freundin sowohl an Silvester als auch an Neujahr arbeiten, so dass wir eh nur ein relativ kleines Zeitfenster zum Feiern zur Verfüfung hatten, und zum Anderen und viel gravierender hatten wir eigentlich gar keinen Bock darauf, ihren neuen Typ überhaupt näher kennen zu lernen, nachdem wir uns mittlerweile schon ein so derart negatives Bild von ihm geformt hatten, dass selbst ich als erklärter Pazifist mich wohl echt hätte zusammenreißen müssen, ihm nicht bei der ersten auch nur geringfügig deplazierten Aussage direkt eins in die Schnauze zu hauen. Aber gut, andererseits, dachten wir uns, wenn es meiner Schwester wichtig ist – immerhin wären wir ja dann auch die Ersten aus ihrem Umfeld, die den Typen kennenlernen dürften und das wäre gewissermaßen ja auch eine Ehre – dann würden wir ihr halt den Gefallen tun und im Zweifel gute Miene zum bösen Spiel machen. Wir selbst waren Anfang Dezember dann auch erstmal zwei Wochen im Urlaub und wir haben dann ganz pragmatisch entschieden, dass wir diese Silvester-Einladung erst einmal aussitzen wollten, denn bis dahin war es ja immerhin noch ein ganzer Monat Zeit und wer könnte schon wissen, was bis dahin wäre…

Und tatsächlich erwies sich das als die genau richtige Taktik, mit der wir meiner Schwester nicht vor den Kopf stoßen mussten im Sinne einer Absage von wegen „Kein Bock auf deinen komischen Kerl“. Denn noch während unseres Dezember-Urlaubs fiel es dem Kerl dann ein, sich ein drittes Mal von meiner Schwester zu trennen, immerhin kam er diesmal bei Schnee und Eis noch persönlich vorbei gefahren, er würde einfach die ganze Unsicherheit und Unplanbarkeit nicht ertragen und es fiele ihm auch so schwer, seine Kinder nicht sehen zu können. Und da seine Ehefrau daheim praktischerweise nur eine Bedingung für seinen Wiedereinzug gestellt hatte, nämlich den Kontakt zu meiner Schwester abzubrechen, nahm er dieses entegegenkommende Angebot dann auch dankend an, und alles wurde wieder zurück auf Anfang gestellt. Wir bekamen dieses neuerliche Drama urlaubsbedingt nur aus der Ferne mit und zugegebenermaßen war unsere Empathie mittlerweile auch weitgehend aufgebraucht, denn so richtig konnten wir weder das Handeln meine Schwester noch das der Ehefrau des Kerls mittlerweile noch irgendwie nachvollziehen.

An Weihnachten sahen wir uns dann schließlich bei meinen Eltern wieder und natürlich, wer hätte es anders gedacht, hing meine Schwester auch da ständig am Handy, natürlich hatte der Typ den Kontakt nicht abgebrochen, natürlich hinterging er seine Ehefrau weiterhin und wahrscheinlich war es dieser mittlerweile auch schon vollkommen egal, so lange er einfach die Schnauze halten und die Kohle nach Hause bringen würde. Meine Schwester hat dann auch immer so eine geile Art, diese Schreiberei so offensichtlich zu betreiben, dass man quasi dazu genötigt wird, diesbezüglich nochmal nachzufragen, bloß um dann eine halb-schnippische Antwort dazu zu bekommen. Wir haben zwischenzeitlich ganz im Ernst sogar schon mal darüber nachgedacht, für zukünftige Besuche bei uns ein Handy-Verbot zu erteilen, das Ding müsste dann an der Garderobe abgegeben werden, weil wir diese fahrige Halbaufmerksamkeit meiner Schwester einfach nicht mehr ertragen können, es schlichtweg aber auch nicht wollen, weil wir ihre Entscheidung, mit diesem Kerl noch immer Kontakt zu halten (und nicht so ein beiläufiges Alle-2-Tage-mal-einen-Gruß-senden, sondern Dauerschreiberei), nicht mehr nachvollziehen können (es darüber hinaus aber auch als grundsätzlich seinen Gastgebern gegenüber unhöflich empfinden, aber das ist nochmal eine andere Grundsatzdebatte).

Was macht man nun aus alledem? Mir ist ja auch klar, dass man Gefühle nicht einfach abstellen kann und sich herzensmäßig da bisweilen einfach verrennt, auch ich habe das (wenn auch in anderen Extremen) schon getan. Natürlich kann ich das von meiner Schwester auch nicht einfordern. Aber wie weit will sie sich eigentlich selbst noch demütigen lassen, ehe sie einsieht, dass dieser Kerl eine Vollnull ist, die nicht eine einzige Sekunde ihrer Aufmerksamkeit verdient? Wie kann sie mit offenen Augen immer wieder in die gleiche Sackgasse laufen und sich bereitwillig ins Unglück stürzen? Sie schiebt zur Zeit jetzt auch so eine Midlife-Crisis-artige Vollpanik, dass sie, wenn sie ihn nicht mehr hat, niemals mehr einen abbekommen würde. Ich hatte ihr daraufhin nur gesagt, dass man als Obdachloser ja auch nicht in das Scheißesammelbecken eines Plumpsklos einziehen würde, nur um ein Dach über dem Kopf zu haben, meinend, dass es in diesem konkreten Fall tatsächlich besser sei, alleine zu sein als mit so einem Vollhorst zusammen. Zumal es immer neue Optionen gibt und vermutlich 98% der Männer auf der Welt sie besser behandeln würden als dieser Typ.

Ich bin jetzt immer schon die Taktik gefahren, konsequent nur noch schlecht über den Typen zu reden, damit es vielleicht auch irgendwann bis zu ihr durchsickert und sie ihre Meinung bezüglich seiner Person mal allmählich abschließend ändert. Aber scheinbar alles vergebens: Zwischen Weihnachten und Silvester hat sie sich wieder zweimal mit ihm getroffen, war bei meinen Eltern noch weilend eh schon auf halber Strecke zu ihm, und wie jetzt gerade der Stand der Dinge ist, das werden wir dann wohl am Montag erfahren, wenn wir uns mal wieder mit ihr zum Essen treffen.

Wie gesagt – und damit möchte ich noch einmal auf den Ausgangspunkt dieses ausufernd lang geratenen Textes kommen – ich wünsche meiner Schwester einfach, dass sie glücklich und zufrieden wird und dass sie jemanden findet, der ihr die Liebe und Sicherheit geben kann, die sie verdient. Ich bin aber einfach aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass es mit diesem aktuellen Kerl kein Happy End mehr geben kann, nicht nach alledem, was er bisher schon abgezogen hat. Selbst wenn sie jetzt tatsächlich noch ein weiteres Mal zusammenkommen sollten (oder es vielleicht schon wieder sind…?), dann wird das mit diesem unreifen Vollidioten keine Zukunft haben, und selbst wenn es mal für einige Monate oder Jahre halten sollte, hätte ich überhaupt gar kein Interesse daran, ihn als „Freund meiner Schwester“ mal kennenzulernen. Selbst wenn er sich tatsächlich mal grundsätzlich für meine Schwester entscheiden würde, seine Frau endgültig verlässt und einen Neustart wagt, dann ist das halt so ein Typ, dem dann spätestens in ein paar Jahren wieder langweilig würde und der sich dann wieder eine fickerische Nebenbeschäftigung sucht. Und dann wäre meine Schwester halt die betrogene Ehefrau, im Zweifel auch nur Partnerin, idealerweise ohne Kinder, und genau so unglücklich, wie vor ein paar Monaten, als sie hier weinend bei uns auf dem Sofa saß.

Das kann, will und werde ich nicht akzeptieren.

CU in Disneyland!